Im Gespräch mit unseren Vortragenden # 1

Interview 

Was hat Dich zur Immobilienbewertung geführt?

Nach meinem Studium der Rechtswissenschaften an der Karl-Franzens-Universität Graz war ich zunächst in einer Wirtschaftskanzlei tätig. Während dieser Zeit wurde mir bewusst, wie oft rechtliche, wirtschaftliche und bautechnische Fragestellungen in der Immobilienbranche aufeinandertreffen – und wie wichtig es ist, diese Disziplinen gemeinsam zu denken. Die Bewertung von Liegenschaften, insbesondere von Zinshäusern, hat mich dabei besonders interessiert. Deshalb habe ich mich entschieden, an der Donau-Universität Krems den Master in Internationaler Immobilienbewertung zu absolvieren und mich auf diesem Gebiet zu spezialisieren.

Was fasziniert Dich an der Bewertung von Zinshäusern?

Zinshäuser sind vielschichtig: rechtlich komplex, wirtschaftlich relevant und technisch herausfordernd. Jedes Objekt ist anders – in seiner Bausubstanz, seiner Ertragssituation, seiner mietrechtlichen Struktur. Das verlangt nach einem interdisziplinären Zugang und einer strukturierten Herangehensweise. Für mich ist die Bewertung eines Zinshauses wie das Lösen eines Rätsels: Man sammelt Informationen, analysiert, hinterfragt – und kommt am Ende zu einem Ergebnis, das nachvollziehbar und fundiert ist.

Wie sieht Dein beruflicher Alltag als Sachverständiger aus?

Ich bin als gerichtlich beeideter Sachverständiger tätig, das heißt: Ich werde regelmäßig mit der Erstellung von Gutachten in Zivilverfahren beauftragt. Daneben arbeite ich mit privaten Auftraggebern – etwa bei Ankaufsentscheidungen, im Zuge von Finanzierungen oder zur Plausibilisierung bestehender Gutachten. Seit 2015 bin ich außerdem Business Partner bei Projekt Wohnen und dort unter anderem für das Portfoliomanagement zuständig. Dabei begleite ich auch die Bewertung und Entwicklung von Bestandsobjekten – insbesondere von Zinshäusern.

Was macht ein gutes Gutachten aus?

Ein gutes Gutachten ist fachlich korrekt, methodisch nachvollziehbar und verständlich formuliert. Das bedeutet: Die Auswahl des Bewertungsverfahrens – sei es Ertragswert-, Vergleichswert-, Sachwert- oder Residualwertmethode – muss begründet sein. Die gesetzlichen Grundlagen, insbesondere das Liegenschaftsbewertungsgesetz und die einschlägigen ÖNORMEN, müssen korrekt angewendet werden. Und jede Annahme, die getroffen wird, muss nachvollziehbar und belegbar sein. Ziel ist ein Gutachten, das von Fachleuten überprüfbar und für Laien verständlich ist.

Du unterrichtest auch – was bedeutet Dir die Lehrtätigkeit?

Sehr viel. Seit 2024 bin ich Lektor im MBA-Studiengang Immobilienmanagement an der Hochschule Burgenland und dort für das Modul Immobilienbewertung verantwortlich. Ich habe sämtliche Lehrunterlagen dafür neu erstellt. Mir geht es in der Lehre darum, Theorie und Praxis zu verbinden – also nicht nur zu erklären, wie Bewertungsverfahren funktionieren, sondern auch, wann und wie sie sinnvoll angewendet werden. Besonders wichtig ist mir auch die Auseinandersetzung mit aktuellen Themen wie Nachhaltigkeit, ESG-Kriterien und Digitalisierung.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in der Bewertung?

Eine immer größere. Immobilien mit guter energetischer Qualität und transparenten Nachhaltigkeitsdaten gelten am Markt zunehmend als risikoärmer – das wirkt sich direkt auf den Verkehrswert aus. Gleichzeitig gibt es regulatorische Vorgaben, die bestimmte Standards vorschreiben. In meinen Vorträgen und Publikationen beschäftige ich mich daher intensiv mit der Frage, wie ESG-Kriterien systematisch in die Bewertung integriert werden können – und wie sich daraus fundierte Bewertungsentscheidungen ableiten lassen.

Gibt es ein Projekt, das Dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Es waren vor allem die komplexen Projekte, die mich geprägt haben – etwa großvolumige Zinshausbewertungen, Sanierungen im innerstädtischen Bereich oder Ankaufsprüfungen mit steuerlicher und rechtlicher Komponente. In solchen Fällen zeigt sich, wie wichtig Erfahrung und Genauigkeit sind. Besonders herausfordernd sind Rohbaubewertungen oder die Leitung einer Due Diligence im An- und Verkaufsprozess – dort entscheidet die Bewertung oft über den Erfolg eines gesamten Projekts.

Du wurdest 2024 und 2025 unter die „HundredUnderForty“ gewählt – was bedeutet Dir diese Auszeichnung?

Ich sehe diese Auszeichnung als Anerkennung für fachliche Arbeit – aber auch als Verpflichtung, die Qualität in der Immobilienbewertung weiter voranzutreiben. Das ist auch der Grund, warum ich mich in der Lehre engagiere und mein Wissen weitergeben möchte. Die Immobilienbranche braucht Fachleute, die bereit sind, genau hinzusehen, kritisch zu denken und Verantwortung zu übernehmen.

Was möchtest Du Kursteilnehmern mitgeben?

Bewertung ist keine Routineaufgabe. Wer ein Gutachten erstellt, übernimmt Verantwortung – für Entscheidungen, die oft große wirtschaftliche Auswirkungen haben. Deshalb ist es wichtig, nicht nur Methoden zu kennen, sondern auch die Fähigkeit zu entwickeln, diese sinnvoll und nachvollziehbar anzuwenden. Genauigkeit, rechtliches Verständnis und die Bereitschaft, kritisch zu hinterfragen – das sind für mich die zentralen Bausteine guter Bewertungsarbeit.